Namibia

„Ich kann mich an keinen Morgen in Afrika erinnern, an dem ich aufgewacht bin und nicht glücklich war.“ – Ernest Hemingway

Es ist Ende September in Deutschland. Der Herbst ist da und die Erinnerung an den Sommer und die Wärme auf der Haut beginnt schwächer zu werden. Es ist einiges an Zeit vergangen seit ich aus Namibia zurück bin. Ich konnte meine Gedanken über das Erlebte nicht zu Papier bringen.
Der Verarbeitungsprozess hat gedauert. Es gab einfach zu viel in meinem Kopf was sich sortieren musste. Zudem habe ich schon begonnen vieles in meinem Leben umzuschmeißen.
Es war mein größtes Ziel nach dieser Reise, nicht so weiter zu machen wie vorher.
Ich wollte Antworten und Erkenntnisse!

Tja typisch ich, zu viel wollen, zu fordernd sein. Genau das ist ein Punkt den Namibia mich gelehrt hat zu ändern: Expect nothing! “ Ziele Hoch, aber erwarte Nichts!“ (Uschi Obermaier)

Schon als Kind träumte ich davon, wie Sheena  aus „Königin des Dschungels“ Frei durch die Wildnis zu galoppieren. Eine Verbindung zu haben , zu den Tieren und in Harmonie und Freundschaft mit ihnen zu leben. Den Wind der Freiheit um die Ohren und mich in grenzenloser Weite zu verlieren.

Es hat sich also alles gefügt und ich fand mich Anfang März 2022 nach einem 11 Stunden Flug in Windhoek, Namibia wieder.
Alles verlief nach Plan. Bis ich aus dem Flugzeug ausstieg und kein WLAN hatte, nicht wusste wie der Leon aussieht , der mich kurzum abholen sollte , geschweige denn eine Nummer von ihm hatte und ich durch die Passkontrolle musste , die meine Aufenthaltsunterlagen sehr genau prüften und mir Fragen in einem super schnellen Englisch stellten.
Ich war zu müde um eine Panikattacke zu bekommen, doch ziemlich verwirrt.

Zum Glück hatte Leon ein Schild dabei , auf dem stand : „Joseph’s Dream Appaloosas“.
Nachdem wir uns gefunden hatten, ging es auch schon los Richtung Dordabis.
Schnell hatten wir den Flughafen und die nicht besonders schöne Stadt Windhoek hinter uns und waren auf einer Straße unterwegs , die man hierzulande Feldweg nennen würde.
Nach einer Stunde Fahrt durch absolutes Niemandsland , wo uns Kühe am Straßenrand und Affen auf Verkehrsschildern grüßten , waren wir auf der Sandwerf Farm hinter dem kleinen Örtchen Dordabis angekommen.
Hier, an diesem magischen Fleckchen Erde, haben Leon und Annika ihr Gestüt.

„Joseph’s Dream Appaloosas is more than just a breeding stud! We are training people and horses. But mainly letting horses teach people: how to listen… listen to nature, listen to silence, listen to the old drums of the earth beating.
The healing power that comes with connecting to the soul of these incredible creatures allows us to open up and learn the language to be spoken to make Joesph’s Dream a reality in this world… between people, people and animals, people and this planet.“


Nachdem ich mein Chalet / Ferienhaus bezogen hatte und Zeit zum ausruhen und ankommen, bekam ich eine Führung und fand mich kurz darauf in der Satttelkammer wieder , mit Pferde-Trainerin Hayley. Sie war dabei „flags“ für das Training  zu basteln. Ich setzte mich und half ihr. Wir unterhielten uns und knoteten dabei Fetzen von Futtersäcken und Planen an Stöcke.

„Desensibilisierung mit der Fahne“ – wird das Ganze genannt.
Ein Pferd gegenüber Fahne, Strick oder Hand unempfindlich zu machen ist eine Grundübung, die sicherlich die Zahl der von Pferden verursachten Verletzungen (ausgelöst durch eine herumfliegende Plastiktüte, ein Auto, Wind in den Zweigen, wilde Tiere etc.) um einiges reduzieren kann. Das erste Ziel ist die Sicherheit.

Da war ich also schon mitten drin im horsemanship.
Leider hatte ich anfangs ziemliche Probleme mit dem Englisch. Das und das ich nicht direkt Anschluß an die Gruppe der Praktikanten (Equine Volunteers)  fand, blockierte mich.
Beim essen im kitchen space war ich sehr still. Ich konnte den Unterhaltungen nicht folgen. Es war einfach zu schnell. Wenn ich was verstand und noch überlegte wie ich meine Antwort oder meinen Beitrag zu dem Thema formulieren soll, war die Unterhaltung schon wieder woanders. Ich hatte keine Möglichkeit viel von mir Preis zu geben oder zu berichten.
Smalltalk liegt mir nicht.
Die Mädels  waren sehr jung und hatten sich schon zu einem Grüppchen zusammen gefunden.
Als eine 3. Anreiste aus Schottland, dachte ich erst oh cool, doch als ich Sie begrüßen wollte , hat sie mich gar nicht beachtet und einfach weiter mit Hayley geredet, als wäre ich nicht da. Ich weiß noch das mich das sehr getroffen hat und ich später an dem Tag bitterlich geweint habe, mich sehr allein in einem fremden Land gefühlt hatte und am liebsten wieder abgereist wäre.
Ich musste begreifen, dass das nicht auf mich persönlich bezogen war. Diese Schottin hatte noch weniger Sozialkompetenz als ich selbst. Später wendete sich das Blatt und ich verstand warum sie ist wie sie ist und konnte ihr für ihre Unhöflichkeit vergeben.
Die Züchterin Annika, sprach auch lieber Englisch als ihre Muttersprache Deutsch. Das machte die Sache für mich nicht einfacher. Sie bemühte sich zwar , dass ich mich wohlfühle, aber so richtig warm miteinander geworden sind wir nicht.

Diese Ablehnung (die wahrscheinlich nur in meinem Kopf war) zu spüren, machte mir wirklich zu schaffen. Hinzu kam, dass das Training mit den Pferden im horsemanship -Stil wirklich neu war für mich. Mein Backround ist ja eher das Englische Reiten.
Ich stellte mich also etwas dumm an und verstand auch nicht viel (alles englisch) und war quasi eine Anfängerin mit den Pferden. Darauf musste mein Ego auch erstmal klar kommen.
Das Pferd , welches ich mir aussuchte , die bezaubernde cremello Stute Daisy, wollte mich auch nicht so recht.
Nun ja, reiten waren wir in der ersten Woche auch nicht. Es ging zunächst darum die Grundlagen im horsemanship zu lernen.

Ich war nach der Arbeit und dem gemeinsamen Abendessen viel allein , betrachtete den imensen Sternenhimmel und trank alleine Wein auf meiner Terasse.

Die einzigen Freundschaften die ich anfangs schloß, waren die zu den Hunden Nanuk und Amy.  
Ich dachte viel nach und reflektierte so einiges.

Ich begriff einiges über mich selbst.
Ich sagte mir: „Vlt ist eine der challenges hier neben dem Englischen , komm mit dir selbst klar. Sei dir selbst genug! Du brauchst die Anerkennung von Aussen nicht.

Sei freundlich und transparent aber bettel nicht um gemeinsame Zeit.
Es geht hier nicht darum Freundschaften zu schließen, sondern als Mensch zu wachsen.

Sich seinen Ängsten und Defiziten zu stellen und sie zu überwinden.“


Ich redete am nächsten Tag mit Hayley und erzählte ihr das ich mich ein bisschen außen vor fühle.  Am Abend lud Sie die ganze Gruppe zu einem Lagerfeuer an ihrem Chalet ein. Sie spielte Gitarre und sang.
Es war ein wunderschöner Abend.
Eine Songzeile brannte sich in meinen Kopf : „Lay your darkness in the sun.“

Genau das tat ich ! Ich wurde stiller in mir drinnen. Ich kam zur Ruhe und begann diesen Ort unabhängig der Menschen zu genießen. Ich trat ins Licht. Ich ging viel spatzieren auf der Farm. Ich sagte jedem Tier guten Tag und war fasziniert von den Kameldornbäumen und der ganzen Landschaft hier. Es war so grün. Überhaupt nicht trist. Alles war voller Leben.
Die Sonnenuntergänge und Farben in Namibia sind unbeschreiblich schön.

Ich machte alleine eine Safari in einem privaten nahegelegenen Park mit einem Guide.
Ich sah Giraffen, Elefanten , Löwen und noch einige andere wilde Tiere hautnah.
Ich begann mir die Namen der vielen Pferde auf der Farm zu merken. Die Appaloosas sind so unglaublich schön. Dort gab es Fell-Farbkombinationen die ich noch nie zuvor gesehen habe.
Ich genoss das Training und die Arbeit mit den Tieren. Ich freute mich schon beim aufstehen darauf was der Tag mir wohl bringen würde.
Dollar, mein Seelenpferd fand mich!  — Oh Gott, während ich das schreibe muss ich schon wieder weinen… Nie , niemals hätte ich gedacht , das man in so kurzer Zeit eine solche Verbindung zu einem Pferd bekommen kann.

Er hat mich ausgesucht. Ich wollte diesen kleinen eigentlich gar nicht. Doch schnell sah ich die Herausforderung. Man sagte mir er buckelt beim galoppieren und hat schon einige Praktikanten abgeworfen. Er war jung und frech und hatte echte Punk- Allüren. Ließ sich anfangs auch nicht einfangen auf der riesigen Koppel.  Ein Charakterpferd.
Ich lernte wie ich mit ihm arbeite ohne Druck und Zwang, sondern mit Überzeugung und Konsquenz. So wurden wir schnell ein Team und es dauerte nicht lange, da kam er auf der Koppel freiwillig zu mir , obwohl er wusste , dass ich ihn reiten will.

Das erste liberty Training war ein Meilenstein. Frei mit ihm zu arbeiten…
Ohne Sattel und Gebiss zu reiten , später nur mit dem Halsring… unglaublich.
Ich ließ mich einfach drauf ein. Lernte viel über Balance und die ganzen Horsemanship Techniken. Schnell wurde ich vom horsemanhip Anfänger zum „SemiProfi“ 😉
Auf jeden Fall war ich in der Hälfte meiner Zeit dort soweit,  Dollar auch im Gelände ohne Gebiss zu reiten und mir hundertpro sicher zu sein, dass ich ihn allein mit meiner Stimme und unserem gegenseitigen Vertrauen reiten kann.  Sogar vorneweg.

Nebenher hatten wir die Möglichkeit in einer kleinen Schule in Dordabis die Farm kids zu unterrichten. Nie hätte ich gedacht, dass ich sowas kann. Noch dazu in Englisch.

Inzwischen war auch noch eine neue Praktikantin angereist , eine Deutsche (nur ein paar Jahre jünger als ich) , mit der ich mich sehr gut verstand. Wir saßen oft noch abends beisammen und redeten über den Tag , tauschten unsere Gedanken aus. Es ist ein großer Schwall an Imput der an so einem Tag in Namibia auf einen reinprasselt! Es war toll sich austauschen zu können. Noch dazu in so angenehmer Gesellschaft. Wir beide waren auch die Einzigen, die die Arbeit wirklich ernst nahmen. Egal ob es nur Gras schneiden war, Unkraut aus den Roundpens entfernen oder die Futter Näpfe reinigen oder bis zum letzten Pferd beim rein holen ausharren, wir haben das gerockt und waren stolz auf unsere Arbeistmoral 🙂
Zusammen fuhren wir an einem Wochenende nach Swakopmund an die Küste Namibias. Wir gingen auf Sightseeing Tour und machten eine Wüstentour. Wir hatten sehr viel Spaß zusammen und sahen somit noch etwas anderes von Namibia als nur die Farm. In Gela , der Lehrerin der Schule, hatten wir auch eine super Reiseführerin gefunden. Sie ist gebürtige Südafrikanerin, spricht fleißend deutsch und wollte an dem WE sowieso nach Swakopmund. Sie konnte uns sehr viel über Land und leute erzählen. Zudem muss ich auch sagen, dass ich mich super mit Gela verstehe. Auch mit ihrem Mann Eike, den wir kennnen lernten als Sie uns zu einem Sundowner auf ihre Farm einluden.
Die Farm der beiden ist noch ursprünglicher als Sandwerf und voller Rinder. Es ist eigentlich eine Rinderfarm. Schon über Generationen in Familienbesitz. Es leben aber auch wilde Giraffen dort und diverse Springböcke und Oryx oder Kudus… ein paar recht wild lebende Pferde haben sie auch. Später wurde ich nochmal dorthin zu einem Ausritt eingeladen.

Es war trotz direkter Nachbarschaft zu Sandwerf, etwas ganz anderes, hier zu reiten auf diesen unglaublich schnellen Pferden.
Die vlt. 3mal im Jahr wirklich Kontakt zu Menschen haben, wenn Sie zum Kuhtrieb geritten werden oder von Eike einfach aus Spaß.  Meins hieß Kaiser. Nach einem Stück des aufwämens und kenne lernens , ging es los im Galopp.
Ich hatte  nie das Gefühl das er durch geht. Ich hatte schnell begriffen wieviel Luft ich geben muss und wann ich ihn halten musste. Ich spürte immer mehr beim Reiten , dass ich tatsächlich ein Gefühl für Pferde hatte und mich auf die verschiedensten einstellen konnte. Eine gewisse Intuition.
Jeden Tag im Sattel zu sein, ist auch wirklich der schönste Sport den ich mir vorstllen kann.

Durch ausgetrocknete Flussbetten zu galoppieren , vorbei an großen Straußen und dann noch eine ausgebüchste Kuh zurück zur Herde zu treiben, das war der Hammer! Abenteuer und Freiheit pur!
Ich möchte gern nochmal dorthin!  

Es gibt noch soviel politische Aspekte dieser Reise. Das ganze Kolonialzeug… die Korruption in Namibia, ich könnte soviel darüber erzählen…
Überhaupt habe ich einen ganzen Roman voller Anekdoten zu erzählen. Auch über das Zu Deutsch sein und die Pünklichkeit 😀
Doch das würde wohl den Rahmen sprengen und ich beschränke mich auf meine persönliche Entwicklung.

Ich bin in dieser Zeit also sehr sicher im Umgang mit den Tieren geworden, ob Fohlen oder Hengste oder Wilde Pferde. Ich habe gelernt mit allen umzugehen. Meine Hektik weg zu stecken und Ruhe und Sicherheit auszustrahlen. Mir selbst zu vertrauen.

Nur Alpakas werden mir wohl immer suspekt bleiben.


Mit Tieren zu arbeiten hat mir soviel Spaß gemacht! Ich konnte mich wieder mit meinen Wurzeln vereinigen. Da ich ja einst mit Tieren aufwuchs. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft flossen zusammen. Viele Arten und Techniken des Umgangs vereinigten sich in mir.

An meinem letzten Tag habe ich viel geweint. Ich wollte gar nicht weg. Diese Unbeschwertheit … ich wusste , dass ich sowas zu Hause nicht haben werde. Und überhaupt … werde ich je wieder so in meiner Mitte sein?  Mit Freude aufstehen, die Arbeit lieben , die man tut, Tieren helfen, Gemeinsam mit ihnen arbeiten. Von seiner körperlichen Arbeit aber zufrieden erschöpft ins Bett fallen. Erholsam schlafen und ausgeruht sein. Voller Tatendrang und Energie. Keinen richtigen Alltag haben, aber geregelte Zeiten , keinen Stress.
 Keine Sorgen. Glücklich SEIN , im Hier und Jetzt Leben. Entschleunigung!

Ich lief eine große Runde über die Farm und verabschiedete mich von jedem Tier und sog die Landschaft und Geräusche und alles was nur möglich war in mir auf. Ich wollte an diesen Ort zurück kehren können, wenn auch nur in meinen Gedanken. Als Ort der Ruhe und des Friedens.

Der Abschied von Dollar fiel mir am schwersten. Ich wollte ihn so gern mitnehmen.
Seine Persönlichkeit und meine harmonierten auf so eine Weise miteinander. Ich kann es gar nicht beschreiben. Dieses Vertrauen und die Verbundenheit die wir beide aufgebaut haben , sind unbezahlbar und ich weiß nicht ob ich das je wieder mit einem Pferd so haben werde.
Er war mehr als ein Pferd, ein richtiger Freund!

Das Pferde Thema liegt nicht nur in meinen Genen, sondern auch in meinem Herzen, vlt. Mehr als mir lieb ist. Ich habe in diesen 6 Wochen Freude, Tränen, Schweiß und Blut gelassen , doch soviel dazu gewonnen. Mein Fokus hat sich geändert. Dinge die sich in mir schon über die „Corona Zeit“ gezeigt haben, haben sich manifestiert. Weg vom Trubel, hin zur Natur. Hin zur Ruhe.
Eigenes Schaffen!
Diese Reise war eine der besten und eindruckvollsten Erfahrungen meines Lebens.